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Armut - darf es nicht geben. Ideen und Lösungen im Stadtteiltreffen am 6. Oktober

Menschen sitzen an Tischen und diskutieren
Datum:
8. Okt. 2025
Von:
Sebastian Mählmann

Wenn dem Armutsbericht 2025 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge 15,5% der in Deutschland lebenden Bevölkerung als arm gelten, weil ihnen weniger als 60% des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen, und davon ca. 5,2 Mio Menschen unter erheblichen materiellien Einschränkungen leiden müssen, dann darf das so nicht im Raum stehen bleiben. Aus diesem Grunde entwickelte das Stadtteiltreffen "Lützel im Gespräch" am Montag, den 06.10.2025 praktische Lösungsideen im Interesse eines starken Netzwerkes für Menschen in Lützel, die von Armut betroffen sind. 

Dass es sie gibt und wie verletzlich mancher Lebenslauf sein kann, schilderte den Teilnehmenden unter anderem ein junger Vater, der sein Kind abwechselnd mit der Mutter alle zwei Wochen bei sich hat. Nach jahrelanger Krankheit auch schon während der Schulzeit, hat er im Berufsleben nie richtig Fuß fassen können. Heute lebt er mehr schlecht als recht vom Bürgergeld. Wenn ein Haushaltsgerät kaputt geht, wenn das Kind etwas aus der Reihe benötigt, ist es jedesmal eine Katastrophe. Hinzu kommt, dass er viel zu viel Zeit alleine verbringt und ihm starke Netzwerke fehlen, was einem mehrdimensionalen Armutsverständnis zufolge als "soziale Armut" bezeichnet werden kann. 

Auch Jessica Herder von der Allgemeinen Sozialberatung und dem Familienbüro des Caritasverbandes bestätigte aus ihrer Arbeit die enorme Armutsbetroffenheit von Menschen. Die Hauptprobleme: Knappheit an bezahlbarem Wohnraum für Familien, komplizierte Antragswege für Sozialeistungen, die den Menschen zustehen, und eine emotionale Schieflage, in der Menschen mit Scham und Resignation sich immer weiter  zurückziehen. Alexandra Kilp, Leiterin einer Kath. Kita in Lützel, ergänzte, dass viele Familien sich das Essensgeld von 88,00 Euro pro Monat nicht leisten könnten und dass sie viele Familien mit unterschiedlichsten gesundheitlichen und materiellen Problemen nur dank einer in ihrer Kita tätigen Sozialarbeiterin unterstützen kann. 

Schon dieser Mix an Problemschilderungen bot Stoff genug für politische Forderungen an diejenigen, die im fernen Berlin zurzeit einen "Herbst der Reformen" der Sozialsicherungssysteme einläuten. Ganz bewusst aber wollte sich das Stadtteiltrefffen an diesem Abend mit der Frage beschäftigen, welche Beiträge im Sinne einer  "Mitsorgenden Gemeinschaft" z.B. eine Kita, ein Bürgerzentrum oder auch Nachbarschaften gegen Armut und Armutsgefährdung leisten können. 

Je länger der Abend dauerte, desto mehr wuchs die Liste an Ideen an. Hier eine kleine Auswahl: 

  • Weitere Schaffung von konsumfreien Räumen, wie z.B. im BüZ das Stadtteil-Café oder zuletzt "Poesie im Park" vom Stadtteilmanagement StadtgrünLützel, in dem Dazugehörigkeit und soziale Teilhabe ohne Geldaufwendungen möglich sind. 
  • Besuchsdienste gegen Einsamkeit, besonders für Senioren, aufbauen. 
  • An viel mehr Orten Hilfestellungen für Anträge bei den Behörden bereithalten. 
  • Hilfenetzwerke, eine neue Nachbarschaftshilfe aufbauen, z.B. für Fahrdienste und Gelegenheitshilfen, deren Wirksam- und Sinnhaftigkeit auch Jan Buchbender aus seiner ehrenamtlichen Arbeit in der Nachbarschafthilfe in der Südlichen Vorstadt bekräftigte. 
  • Verleih von Haushaltsgeräten und Werkzeugen organisieren, die hohe Anschaffungskosten verursachen. 
  • Einrichtung von Waschgelegenheiten statt Anschaffung teurer Waschmaschienen 
  • Die bestehenden Hilfsangebote noch transparenter machen
  • Im Bürgerzentrum noch öfter Veranstaltungen zu Verbrauchertipps (günstig kochen) anbieten. 
  • Und das Wichtigste: Jede:r kann Nähe stiften, auf Menschen zugehen und kleine Zeichen der Solidarität setzen

Der junge Vater, auch die z.T. selbst von Armut betroffenen Gäste waren sich einig: Die Liste der Lösungen ersetzen keine politischen Entscheidungen z.B. zum dringend benötigten Ausbau von Sozialwohnungen, aber sie wären ein erster Schritt für ein warmherziges Hilfenetzwerk in Lützel. Denn: Armut ist ein Übel, das gemeinsam bekämpft werden muss. 

Das monatliche Stadtteiltreffen „Lützel im Gespräch“ ist ein Forum zur Diskussion und Meinungsbildung zu verschiedenen stadtteilpolitischen und gesellschaftlichen Themen. Es ist ein Angebot des Bürgerzentrums Lützel in Kooperation mit dem Quartiersmanagement „Zukunft Stadtgrün Lützel“, der Kath. Kirchengemeinde Koblenz St. Petrus und St. Martinus und Ehrenamtlichen aus Vereinen und Parteien. Das Organisationsteam freut sich jederzeit über motivierte Engagierte.

Beim nächsten Stadtteiltreffen am Montag, 03.11.2025 von 18.00 bis 20.00 Uhr steht das Thema "Bezahlbarer Wohnraum" im Fokus. Erwartet wird als Impulsgeber u.a. der Baudezernent der Stadt Koblenz, Prof. Dr. A. Lukas.